Brief von Thesi aus der Werft in Valletta

Hallo Du!

Danke für deine Unterstützung! Wir sind wahnsinnig froh über den Zuspruch, den wir nach unserem letzten Notruf an euch erhalten haben. Noch sind wir nicht aus dem Schneider, aber es geht wieder voran. 

Heute gibt’s besondere Post für dich, von Thesi. Thesi ist seit Jahren Sea Punk, hat uns schon auf der Rise Above supported, die Sea Punk I 2022 aus Polen mit abgeholt und den Umbau in Greifswald mit koordiniert. Sie steckt zu einem Großteil hinter unserem Einsatzkonzept – und diesen August hat Thesi die Koordination am Schiff übernommen. Eigentlich sollte sie dafür nach Sizilien – dann ging’s plötzlich doch nach Malta. Warum und was sie dort erlebt hat? Lest selbst.

Vier Wochen in Valletta in der Werft – Die Anreise war schon ein Erlebnis – eigentlich sollte es nach Sizilien gehen, aber dann: ein Loch im Rumpf der Sea Punk I und die nächste freie Werft ist mehrere hundert Kilometer und eine Fährfahrt entfernt auf einer anderen Insel: auf Malta. Also mache ich mich auf den Weg nach Valletta, mit unserem Transporter. Ein stinknormaler weißer VW T5, der auf der Reise bei den Behörden aber für große Aufregung sorgt. Warum – keine Ahnung. Vielleicht, weil ich ihn als “private van” gebucht hatte, nicht als Dienstwagen. Jedenfalls sind es in Malta am Ende dann fünf Sicherheitsleute und ein Hund, die mich genau unter die Lupe nehmen – irgendwann aber doch weiterfahren lassen, sogar mit unserem Werft-Klapprad, der Werkzeugkiste und dem 10 Liter Eimer Lack, den ich dabei hab.

In Valletta dann kennenlernen der Crew und der anstehenden Aufgaben. Das Schiff liegt im Trockendock – ergo kein kühlendes Wasser auf der Außenhaut der Sea Punk One. Dafür unter Deck schlafen, bei 35 Grad – sagen wir mal so: es wird kreativ, wie sich Personen die unterschiedlichen Ventilatoren ausrichten.

Was machen wir hier eigentlich? Es geht um die Hülle des Schiffs … die ist gerade vollgekritzelt mit Mess-Ergebnissen, die mit Kreide darauf geschrieben worden sind. Die Sea Punk I hatte eine Ultraschallmessung – mit Hilfe dieser Messung wird die Dicke der Stahlplatten bestimmt, und die dürfen sogar für einen bestimmten Prozentsatz dünner werden.

Als ich ankomme, sind die beiden Stahlplatten des Kiels kurz vor dem Propeller schon entfernt worden. Ergo: Sonnenlicht im Maschinenraum. Das gab’s auch noch nicht. Hier war also das Loch. Am tiefsten Punkt des Schiffes. Von innen ist dieses mit der Hand nicht zu erreichen. Wir gehen in den Maschinenraum und entfernen die Bodenplatten, und hier geht’s nochmal 1,60 m weiter runter in einen konisch zulaufenden (enger werdenden) Bereich, der mit Rohren zugebaut ist. Hier hat sich alles abgespielt, als vor einigen Wochen plötzlich durch das Loch Wasser in den Rumpf eindringt. Ich brauche ein paar Tage und Gespräche, um zu verstehen, wie knapp wir einer Katastrophe entkommen sind, bin froh zu wissen, was passiert ist und wie wir nun weitermachen können.


Enge Bekannte kommen mich am Schiff besuchen – das ist richtig schön. Schwimmen und dann in die Gugar Bar. Malta ist ein richtig seltsamer Ort. Eine Superyacht neben der anderen – Jurassic World Filmset – Tourismus – jeden Tag Feuerwerk – und dann heruntergekommene Häuser und Straßenstrich vor dem Industriehafen.

Unsere Crew an freiwilligen Helfer*innen wächst und wächst – erste Rostreparaturen laufen an – Nagelpistole, Schleifmaschine, Schlackenhammer.

Die ersten vier Kabinen werden zurückgebaut – wir müssen gewährleisten, dass die Isolation und die Möbel kein Feuer fangen kann, wenn die Metallarbeiten an der Hülle starten, denn Schneidbrenner und Flex verursachen ordentlich Hitze und Funkenschlag, aus denen schnell Flammen werden können. Wie scheiße so ein Feuer auf nem Schiff werden kann sehen wir direkt neben uns. Eine Woche hatte der 60 m lange Hobel der dort liegt gebrannt. Immer wieder haben sich Glutnester selbst entzündet. 

Das alles heißt natürlich auch: wir können selbst nicht mehr unter Deck in den Kabinen an Bord pennen und ziehen um – und sind richtig geschockt von der Unterkunft und deren Zustand. Unter anderem erwarten uns dort über die Zeit ein kleiner Kabelbrand, zwei Rohrbrüche, Regen tropft durch die Decke, Tiere kommen zu Besuch. Es ist eine Katastrophe! Der Landlord will uns trotz Diskussionen keinen Rabatt geben. Leider sitzt er am längeren Hebel, denn es sind Sommerferien, Malta ist völlig ausgebucht und es gibt keine vergleichbare, bezahlbare Unterkunft, die wir zu Fuß erreichen könnten. Also: Augen zu und durch, kostet uns alle aber zusätzlich ordentlich Nerven.

Zurück zum Schiff in die Werft: Die Bilge wird ganz verschlossen und erste große Metallplatten (ca. 1.40*50cm) um unsere Speigatten werden entfernt. Das erste Mal Wind und Sonnenlicht unter Deck. Die Werft ist gut aufgestellt. Es sind genug Personen für Feuerwachen und Löschschläuche eingeteilt, um gegebenenfalls einzugreifen.

Immer wieder größere und kleinere Katastrophen – gehört dazu. Kennen wir, lösen wir.

In den Kabinen wird die Isolation entfernt – alles an Persönlicher Schutzausrüstung  drauf, was an so ne Person dran geht (Overall, Schutzmaske, Brille,…Handschuhe). Ab Sekunde 1 verwandelt sich das Klima in so nem Overall extrem – schweißnass geht die Arbeit weiter.

Kommen wir zur Plimsoll-Linie – kennste? Jedes Schiff hat diese Markierung. Diese Ladelinie, ist die Wasserlinie, die die gesetzliche Grenze angibt, bis zu der ein Schiff beladen werden darf. Und die muss aufgeschweißt werden  – und erneuert. 

Das RHIB – irgendwie immer Sorgenkind. Die Anti-Rutsch-Kupplung hat einen Schlag abbekommen bei einem Manöver im letzten Einsatz. Viel Verunsicherung zunächst, als die Maschine sich nicht ausfahren ließ – aber am Ende gar nicht nötig: Ersatzteil ist bereits da, und dazu noch ein weiteres als BackUp und feddich.

Jetzt müssen die Kabinen wieder zurück gepuzzelt werden, eine riesen Aufgabe! Unsere Freiwilligen sind handwerklich sehr hoch ausgebildet und schaffen zum Teil Unmögliches.

Und dann sind plötzlich vier Wochen rum und für mich ist es schon wieder Zeit zu gehen. Tut schon weh, jedesmal. Ein paar Tränen fließen beim Tschüss sagen. Bye Sea Punk I…mach ma weider so! Und hoffentlich bald mal wieder ein bisschen wasser unnerm Kiel. 

Love & Rage,
Thesi