Post aus Sizilien vom Schiff für dich

Ahoi! Heute flattert dir ein persönlicher Brief von Antonia in deine Mails. Sie berichtet dir von ihrer Zeit im Hafen in Augusta und was aktuell so am Schiff los ist. Antonia engagiert sich neben ihrem Studium ehrenamtlich bei uns im Verein. Sie arbeitet u.a. im Medien Department mit – und als es neulich spontan jemand brauchte, der ans Schiff fährt, um dort den SSC (Ship Shore Coordinator) zu vertreten, hat Antonia nicht lange gefackelt und ist nach Augusta gereist. Einfach machen. Menschen wie Antonia halten unseren Laden mit am Laufen. Was sie am Schiff erlebt hat? Lest selbst.

Am Donnerstag habe ich noch die letzte Klausur für dieses Semester geschrieben, Samstag ging es dann los: von Wien nach Augusta, Sizilien. Es ist fast ein Jahr her, seit ich das letzte Mal auf dem Schiff war, zuletzt habe ich es im Trockendock in Valletta, Malta gesehen. Damals hatte unser Schiff ein Loch im Rumpf. Es wurde viel geschweißt, die Dicke der Stahlplatten außen am Schiff gemessen, und alles getan, damit wir wieder rausfahren können. Das war ein ganz schöner Schreck und hat alle viel Zeit, Arbeit und auch ne Menge Geld gekostet.

Um so schöner ist es jetzt, als ich in Augusta aus dem Bus steige: von der Brücke aus kann ich die Sea Punk I im Hafen liegen sehen. Die eine Seite wurde gerade frisch gestrichen, das Schiff sieht richtig schick aus. Und ist seit dem Trockendock letztes Jahr wieder einige Rotationen gefahren. Ich bleibe einen Moment stehen und freue mich. Das ist das, wofür wir alle die ganze Zeit arbeiten.

Als ich auf dem Schiff ankomme, ist die gesamte Crew an Freiwilligen gerade auf dem Deck, es ist Mittagspause. Nach einer kleinen Begrüßungsrunde geht es für alle weiter, ich bringe meine Sachen runter in die Kabine und richte mich dort ein. Am Anfang brauche ich immer ein paar Tage, um mich wieder an den Alltag auf dem Schiff zu gewöhnen, dann kann man sich ganz gut in die Routinen und Tagesabläufe fallen lassen.

Die ersten paar Tage ist Benn noch da und erklärt mir die Aufgaben, die ich als SSC so habe. Seit einem guten Jahr kennen wir uns schon von gemeinsamen Videokonferenzen für die Vereinsarbeit – da ist es schön, sich dann auch mal „in echt“ zu sehen. Auch die anderen Personen auf dem Schiff lerne ich nach und nach besser kennen. Gerade ist eher eine kleinere Gruppe da, als Benn fährt, sind wir noch fünf Personen.

Tagsüber wird vor allem die Außenwand des Schiffes geschliffen und neu gestrichen, Lampen werden ausgetauscht, Batterien überprüft und Leitungen ausgebessert. Größere und kleinere Aufgaben, um das Schiff instand zu halten. Abends gibt es schon mal ein BBQ mit den anderen Schiffen im Hafen, wir gehen Eis essen oder Personen aus Augusta kommen uns am Pier besuchen. Nach und nach wächst die Gruppe immer mehr zusammen.

Ich finde es jedes Mal beeindruckend, wie viel Zeit und Kraft Menschen bereit sind, freiwillig für etwas zu geben, woran sie glauben. Das macht mir Mut, wenn ich Nachrichten lese und verzweifle, weil wieder gegen Migranten gewettert und rassistische Politik gemacht wird. Am Ende haben wir einander, und zusammen können wir etwas bewirken. Wir müssen nicht alles hinnehmen. Wir können Grenzen mitgestalten. Auch wenn wir nur versuchen können, damit den Gästen an Bord einen kleinen Moment zum Ausruhen auf ihrer langen und anstrengenden Flucht anzubieten, und sie dadurch auf ihrem Weg zu unterstützen, ist es das wert.

Love & Rage,
Antonia



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