Wir haben auf unseren Solidaritäts-Post vom 5. Juni auf Instagram viel Zuspruch, aber auch kritische Rückmeldungen bekommen, die wir ernst nehmen und im Folgenden darstellen möchten, warum wir uns dazu entschieden haben, diesen Inhalt zu veröffentlichen – und wie wir jetzt darauf blicken. Auch wir haben im Verein nach Veröffentlichung dieses Posts interne Diskussionen geführt und sind weiterhin im Austausch dazu. Wir sind als Verein keine homogene Gruppe, sondern Menschen mit verschiedenen Ansichten und keiner abgeschlossenen Meinung zu Israel/Palästina. Auch unter unseren Vereinsmitgliedern gibt es kritische Stimmen zu diesem Posting.
WIE KAM ES ZU DIESEM POSTING?
Zu unserer Arbeitsrealität gehört es, dass wir mehrheitlich ehrenamtlich arbeiten – und nicht alle alles jederzeit lesen, kommentieren, mitgestalten und absegnen können. Unserem Wunsch und der anvisierten Maßgabe nach gelebten demokratischen Entscheidungsprozessen, hinkt die alltägliche Umsetzung dieses Ideals leider manchmal schmerzhaft hinterher.
In diesem Fall war es so, dass der Post vereinsintern vorgeschlagen, ein Text vorformuliert und für mehrere Stunden zum Kommentieren zur Debatte gestellt wurde. In diesem Zeitfenster gab es von jenen, die sich geäußert haben und äußern konnten, mehrheitlich Zustimmung für das vorgeschlagene Posting. Daraufhin wurde es veröffentlicht. Erst danach wurde klar, dass Vereinsmitglieder, die dem Posting kritisch gegenüberstanden, und deren Feedback wertvoll gewesen wäre, leider gar nicht dazu gekommen waren, sich rechtzeitig einzubringen. Das bedauern wir und nehmen es als Learning für zukünftige Abstimmungsprozesse mit.
WORUM GING ES UNS INHALTLICH?
Wir haben den Fokus des Textes ganz bewusst auf das humanitäre Anliegen der Mission der Madleen Crew gelegt, das wir darin gesehen haben, mediale Aufmerksamkeit und Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Zu einer Zeit, in der die in Gaza notleidende und mit einem Völkermord konfrontierte Zivilbevölkerung keine Hilfsgüter erhalten hat.
Wir wollten uns mit unserem Post mit diesem humanitären wie symbolischen Vorhaben solidarisieren, da wir uns diesem Anliegen als zivile Seenotretter*innen nahe fühlen. Auch wir versuchen dort, wo selten bis nie jemand hinschaut, Hilfe zu leisten und öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren. Auch wir – so wie die gesamte Seenotrettungsszene – erleben immer wieder, wie schnell es passiert, dass humanitäre Helfer*innen in der öffentlichen Meinung hinterfragt, kritisiert oder sogar kriminalisiert werden – und so diejenigen in den Fokus geraten, die helfen wollen, anstatt dass zu allererst jene in den Fokus genommen werden, die durch politische Entscheidungen und Handlungen unfassbares Leid verursachen. Wir würden uns wünschen, dass die gleiche kritische Aufmerksamkeit mit der gleichen Lautstärke auch jenen staatlichen Kräften und Machthaber*innen entgegenschlägt, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen – an den EU Außengrenzen genauso wie in Gaza. Jedes Leben zählt. Kein Mensch ist illegal.
Wir wollten mit unserem Posting unsere volle Solidarität mit dem humanitären Anliegen, das Leid der Menschen in Gaza zu beenden, zum Ausdruck bringen, und unsere Solidarität mit der Bevölkerung in Gaza bekunden. Dabei haben wir versäumt, in diesem Posting zugleich deutlich zu machen, dass es ernstzunehmende Vorwürfe gegen einige Besatzungsmitglieder der Madleen sowie gegen die Gründer und Mitglieder von Freedom Flotilla gibt.
Wir distanzieren uns von den Handlungen einzelner. Wir sprechen uns ganz klar gegen jede Form von Antisemitismus und Terror aus. Wir haben und werden uns NIEMALS pro Hamas oder pro Hisbollah äußern und verurteilen es auch, das zu tun. Als Verein stehen wir für humanitäre Hilfe, Solidarität, und den Schutz von Leben. Und auch dafür, Unrecht beim Namen zu nennen, egal wo es geschieht und wer es verübt.
VORWÜRFE GEGEN DIE MADLEEN CREW MENSCHEN AN FRONTEX ÜBERGEBEN ZU HABEN
Eine Kritik, die wir nun öfter gehört haben, ist diejenige, dass die Crew der Madleen Geflüchtete an Frontex übergeben hat. Dem müssen wir klar widersprechen und darum bitten, sich hier auch eigenständig nochmal vollumfänglich zu informieren, bevor uns als Sea Punks unterstellt wird, dass wir das unkritisch supporten oder ignorieren würden. Das ist eine unsagbare Unterstellung für einen Verein, in dem sich Menschen seit Jahren täglich dafür den Arsch aufreißen, zivile Seenotrettung möglich zu machen.
Dass Geflüchtete freiwillig an Frontex übergeben wurden, stimmt so nicht! Wer das wiederholt und als Information verbreitet, der verbreitet Falschmeldungen. Die Besatzung der Madleen wurde abgefangen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.
Die Madleen hatte auf dem Weg nach Gaza zunächst auf einen Mayday-Notruf von Frontex über ein in Seenot geratenes Boot mit Menschen auf der Flucht reagiert – das entspricht geltendem Seerecht! Auch wir als Sea Punk I müssten in so einem Fall auf einen von Frontex gemeldeten Seenotfall reagieren! Frontex hat die Madleen aufgefordert sich diesem Seenotfall zu nähern, da die Madleen diesem Seenotfall am nächsten war. Als die Madleen dort ankam, traf zeitgleich die so genannte “libysche Küstenwache” ein. Daraufhin sprangen vier Menschen ins Wasser, die von der Madleen an Bord genommen wurden. Der Rest der Menschen wurde von der so genannten “libyschen Küstenwache” unrechtmäßig gepushbacked. Die auf der Madleen verbliebenen vier Geflüchteten wurden von der Madleen Crew versorgt. Die Madleen hat zunächst mit den griechischen Behörden über die Aufnahme der Migranten verhandeln wollen, wurde aber von Frontex selbst abgefangen und aufgefordert, die vier Geretteten zu übergeben. Auch hierzu waren sie seerechtlich verpflichtet. Die Madleen hat diese vier Menschen gerettet. Die so genannte “libysche Küstenwache” und Frontex sind das Problem.
Unser Posting war auf die humanitäre Aktion der Madleen bezogen, die uneingeschränkte Solidaritätsbekundung mit der Crew misslungen.
Es sind Machthaber und Staaten, die Bomben losschicken.
Es sind Zivilisten, die das mit dem Leben bezahlen.
Mensch lässt Mensch nicht ertrinken.
Mensch lässt Mensch nicht verhungern.
Mensch lässt Mensch nicht bombardieren.
In Solidarität mit der Zivilbevölkerung in Gaza. In Israel. Im Iran.
Sea Punks