Verhaftung von El Hishri in Deutschland – Durchbruch in der Ahndung von Völkerrechtsverbrechen

Staaten müssen die umgehende Auslieferung von Verdächtigen und vollständige Zusammenarbeit mit den IStGH-Ermittlungen zur Situation in Libyen sicherstellen

Wir, die unterzeichnenden zivilgesellschaftlichen Organisationen, begrüßen die jüngste Verhaftung von Khaled Mohamed Ali El Hishri, auch bekannt als „Al-Buti“, durch die deutschen Behörden am Flughafen Berlin Brandenburg am 16. Juli 2025 auf Grundlage eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Seine Festnahme stellt einen wichtigen Schritt in den ins Stocken geratenen Bemühungen dar, Verantwortliche für schwere Völkerrechtsverbrechen in Libyen zur Rechenschaft zu ziehen. Wir loben die deutschen Behörden für ihr schnelles und entschlossenes Handeln.

El Hishri war mutmaßlich ein ranghoher Beamter im Gefängnis Mitiga in Tripolis. Er ist Mitglied der „Spezialeinheit für Abschreckung“ zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität („Al-Radaa“) unter dem Präsidialrat Libyens – einer mächtigen Miliz, die Hafteinrichtungen im Westen Libyens betreibt, darunter das Mitiga-Gefängnis. Dem IStGH zufolge wird El Hishri vorgeworfen, von Februar 2015 bis mindestens Anfang 2020 Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen oder angeordnet zu haben – darunter Mord, Folter, Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt.

Als erster Fall in den IStGH-Ermittlungen zur Situation in Libyen, der sich auf einen Prozess in Den Haag zubewegt, kommt der Verhaftung von El Hishri besondere Bedeutung zu. Sie ist ein wichtiges Signal für Überlebende: Gerechtigkeit ist auch im Kontext des andauernden Konflikts und sich wandelnder Machtverhältnisse in Libyen möglich. Gerechtigkeit erfordert jedoch Konsequenzen: Wir fordern Deutschland auf, die umgehende Übergabe von El Hishri an den IStGH sicherzustellen, damit das Verfahren ohne Verzögerung fortgesetzt werden kann.

Gleichzeitig rufen wir alle Vertragsstaaten des Römischen Statuts auf, uneingeschränkt mit dem Gerichtshof zusammenzuarbeiten. Mit El Hishri wurde in diesem Jahr bereits der zweite mutmaßliche Täter auf europäischem Boden festgenommen, dem vorgeworfen wird, im Mitiga-Gefängnis Völkerrechtsverbrechen begangen zu haben. Im Januar verhafteten italienische Behörden Osama Elmasry Njeem, einen weiteren libyschen Staatsbürger und ranghohes Mitglied von Al-Radaa, dem ähnliche Verbrechen im Mitiga-Gefängnis vorgeworfen werden. Statt ihn jedoch dem IStGH zu übergeben, überstellten ihn die italienischen Behörden zurück nach Libyen, wo er von Vertreter staatlicher Institutionen und bewaffneten Akteuren empfangen wurde. Dies verstärkte das vorherrschende Klima der Straflosigkeit weiter. Derzeit läuft ein Verfahren vor dem IStGH, um zu klären, ob Italien durch die Nichtüberstellung von Elmasry seine völkerrechtlichen Verpflichtungen verletzt hat. Die mangelnde Zusammenarbeit von Staaten mit dem IStGH untergräbt nicht nur die Bemühungen um die Aufarbeitung von Völkerrechtsverbrechen und den Einsatz der Überlebenden für Gerechtigkeit, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs selbst.

Wir fordern zudem alle libyschen Behörden auf, wie in der Resolution 1970 (2011) des UN-Sicherheitsrats vorgesehen, uneingeschränkt mit dem IStGH zu kooperieren – einschließlich der umgehenden Festnahme und Auslieferung von Elmasry und allen weiteren Verdächtigen in Libyen, gegen die ein entsprechender Haftbefehl vorliegt. Libysche Behörden – sowohl im Osten als auch im Westen des Landes – haben es wiederholt versäumt, mit dem IStGH zu kooperieren, und Völkerstraftätern ermöglicht, weiterhin ungestraft zu agieren. Neben der Teilung der Exekutivgewalt zwischen Ost und West behindert die institutionelle Fragmentierung weiterhin das Funktionieren der Justiz in Libyen.

Wir hoffen, dass die Verhaftung und anschließende Auslieferung von El Hishri den Libyen-Ermittlungen des IStGH neuen Schwung verleihen wird.

Überlebende und Betroffene – darunter sowohl libysche Staatsangehörige als auch Migrant*innen und Geflüchtete – sind weiterhin schrecklichen Misshandlungen in staatlichen und nicht-staatlichen Haftanstalten in ganz Libyen ausgesetzt. Staatliche Akteure, bewaffnete Gruppen und Milizen begehen mit nahezu vollständiger Straflosigkeit Verbrechen, darunter willkürliche Inhaftierungen, Folter, Erpressung und sexualisierte Gewalt. Wir fordern die Anklagebehörde des IStGH auf, Straftaten, die in ganz Libyen begangen wurden, zu untersuchen und entsprechende Haftbefehle zu beantragen. Gerechtigkeit für diese Verbrechen erfordert die strafrechtliche Verfolgung der Hauptverantwortlichen – mächtiger libyscher und europäischer Akteure, die diese systematischen Misshandlungen ermöglichen und aufrechterhalten.

Wir stehen solidarisch an der Seite der Überlebenden und Betroffenen und setzen uns weiterhin für konsequente Rechenschaftspflicht und eine wirksame Zusammenarbeit mit dem IStGH ein.

Unterzeichnende Organisationen:

European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) 
Global Initiative Against Impunity (GIAI) 
Human Rights Watch (HRW) 
International Federation for Human Rights (FIDH) 
Lawyers for Justice in Libya (LFJL) 
Libya Crimes Watch (LCW)
Mediterranea Saving Humans (Italy) 
Mission Lifeline International e.V.
M.V. Louise Michel Project
Parliamentarians for Global Action
REDRESS
Refugees in Libya 
SARAH-Seenotrettung gUG
Sea Punks e.V. 
Sea-Watch e.V. 
SOS Humanity e.V.
TRIAL International
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