2. Einsatzbericht Sea Punk I

ZWEITER SAR EINSATZ 2024

Im Februar 2024 startet die Sea Punk I ihren zweiten Such- und Rettungseinsatz im Mittelmeer. Am 15.  Februar verlässt sie den Hafen von Augusta, Sizilien. Unseren nächsten Stopp machen wir vor Lampedusa, um noch zwei Rafts von befreundeten NGOs auszuleihen. Bis zur Übergabe werden Trainings mit der Crew abgehalten. In der Nacht fahren wir bei ruhiger See los in das Einsatzgebiet, dessen nördlichsten Punkt wir am Morgen des 16. Februar erreichen. Von hier fährt die Sea Punk I Richtung
Süden das Gebiet vor den Küstenmeeren von Tunesien und Libyen.

Am Nachmittag erreicht uns ein Notruf von einem blauen Holzboot ohne Treibstoff mit 40 Menschen an Bord. Leider ist das Boot nicht zu orten und wir stimmen uns mit unseren Kolleg*innen von der Aita Mari ab und suchen nach einem weiteren Notfall. Leider ist dieser auch nicht zu finden und bei Dämmerung suchen wir wieder das blaue Holzboot. Auch mit Unterstützung aus der Luft kann das Boot jedoch nicht geortet werden. In der Nacht erreichen uns weitere Meldungen von einem Notfall, bei dem der Motor nicht mehr läuft und Wasser in das Boot eintritt. Bei hohen Wellen sollen an Bord circa 50 Menschen sein, von welchen mehrere medizinische Unterstützung benötigen. Die Nacht ist eingebrochen. Die Nacht ist dunkel. Weit weg von jeder zivilisatorischen Lichtverschmutzung sehen wir über uns die Sterne. 

Am Samstag um 2 Uhr morgens richten wir unsere Suchscheinwerfer in den Himmel in der Hoffnung, dass die Menschen auf dem Holzboot diese sehen können. Und irgendwann sehen sie uns, und wir sehen ihre Handylichter.

Als wir gegen 4 Uhr morgens am Boot angekommen sind, finden wir unter den 54 Menschen eine über 80-jährige und eine schwer kranke Person. Das Boot ist überladen, nicht mehr seetauglich und die Menschen sind seit über 30 Stunden auf dem immer wilder werdenden Wasser unterwegs. Sie sind erschöpft und dehydriert. Unsere Crew verteilt Rettungswesten, Wasser und Essen unter den Schiffbrüchigen. 

Der kranken Person an Bord des Bootes geht es sehr schlecht. Sie ist stark seekrank und benötigt dringend ärztliche Hilfe. Wir informieren die zuständige See-Rettungsleitstelle und fordern eine medizinische Evakuierung an. Mit unserem RHIB (ein Schlauchboot für die offene See) transportieren wir die erkrankte Person und einen Angehörigen auf die Sea Punk I um sie von unserem medizinischen Team notversorgen zu lassen. Da wir nicht alle Menschen an Bord nehmen können, begleitet unser RHIB das stabilisierte Boot und in sicherer Entfernung, auch die Sea Punk I. 

Die Rettungsleitstellen raten uns, weiter Richtung Norden zu fahren, die Menschen auf dem Boot sind durch diese Ansage verwirrt, sie befinden sich schon viel zu lange auf einem kaum seetauglichen Boot.
Mit Hilfe des Angehörigen an Bord der Sea Punk I schaffen wir es, die Passagiere des Holzbootes zu überzeugen, diesen Weg mit uns in Begleitung zu fahren.

Die unermüdliche RHIB-Crew wird mit Kaffee versorgt und wir setzen unsere Fahrt Richtung Lampedusa fort. Dem Patienten auf der Sea Punk I geht es zusehends schlechter. Die zuständigen Rettungsleitstellen lehnen eine Übernahme des Patienten immer noch ab.

Circa 30 km vor der Küste Lampedusas, kurz vor 13:00 Uhr übernimmt die Küstenwache von Lampedusa endlich alle Schiffbrüchigen inklusive des medizinischen Notfalls. Die Crew ist erleichtert. Und erschöpft. Wir stellen außerdem fest, dass mit dem verbliebenen Treibstoff für unser RHIBs eine so lange Begleitung eines weiteren Notfalls kaum wiederholen könnte. Die Sea Punk fährt wieder in den tunesischen Korridor, ist aber noch nicht wieder einsatzbereit. Die Crew muss sich ausruhen, die
Reserven werden überprüft.

Am folgenden Morgen gibt es 1,5 Meter hohe Wellen, wir hoffen, dass keine Boote unterwegs sind. Am nächsten Tag soll das Wetter noch mal besser werden, deswegen beschließen wir, in diesem Gebiet zu bleiben. Der Tag darauf allerdings bringt noch raueres Wetter und wir suchen Schutz bei Lampedusa. Da die Vorhersagen für die nächsten Tage keine Besserung versprechen, treten wir die lange ‘Heimreise’ nach Sizilien an.

Der gesamte Verein dankt der sehr gut koordinierten Crew für ihren Einsatz! Vielen Dank auch an alle Spender*innen und Unterstützer*innen an Land.

Seenotrettung ist ein Versprechen – und mit Eurer Unterstützung konnten wir das Versprechen wieder einlösen. 

Danke!
Eure Sea Punks

Zweiter Einsatzbericht als Download (PDF, ca. 200 kB)