Dreimal haben die Milizen der sogenannten libyschen Küstenwache in den letzten Monaten auf Rettungsschiffe geschossen. Trotzdem wurde heute das Seenotrettungsschiff Humanity 1 von den italienischen Behörden festgesetzt, weil es sich geweigert hatte, mit der libyschen Rettungsleitstelle zu kommunizieren. Diese koordiniert die sogenannte libysche Küstenwache auf See. Die Blockade stellt eine gefährliche Eskalation in der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung dar, während allein in diesem Jahr mehr als 1.700 Menschen im Mittelmeer ums Leben kamen.
Wir werden nicht gezwungen werden, unsere Einsatzpositionen an von der EU finanzierte bewaffnete Milizen weiterzugeben, die auf schutzsuchende Menschen und unsere Rettungsteams schießen. Mit diesen Worten kündigte eine Koalition von 13 Seenotrettungsorganisationen öffentlich an, dass sie die operative Kommunikation mit der libyschen Rettungsleitstelle einstellen würden. Die Seenotretter reagierten damit auf mehrere Vorfälle, bei denen die sogenannte Küstenwache auf Seenotrettungsschiffe und fliehende Menschen geschossen hatte, darunter ein 20 Minuten Beschuss gegen das Rettungsschiff Ocean Viking. Jetzt haben die italienischen Behörden auf die Entscheidung der Allianz reagiert und das Schiff Humanity 1 im Hafen von Ortona festgesetzt.
„Etwas ist gefährlich schiefgelaufen, wenn diejenigen, die Menschenrechte verteidigen, bestraft werden, während diejenigen, die sie verletzen, von der EU und ihren Mitgliedstaaten geschützt und aktiv unterstützt werden“, sagt Janna Sauerteig, politische Expertin bei SOS Humanity. „Die aktuelle Festsetzung unseres Schiffes beweist dies erneut. Die EU muss ihre Komplizenschaft bei den täglichen Verbrechen libyscher Akteure auf See beenden. Verantwortung muss bei denen liegen, die internationales Recht verletzen – nicht bei denen, die Menschenrechte verteidigen und Leben im zentralen Mittelmeer retten.“
Die italienischen Behörden stützen ihr Vorgehen auf das sogenannte Piantedosi-Gesetz, das Seenotrettungsorganisationen verpflichtet, mit der libyschen Seenotrettungsleitstelle in Tripolis, Libyen, zu kommunizieren. Unter anderem werden sie gezwungen, den Milizen ihre Einsatzpositionen mitzuteilen.
„Der Angriff auf die Humanity 1 ist ein Angriff auf uns alle.“, sagt Laura Meschede, Sprecherin der Justice Fleet. „Mit ihrer Blockade der Humanity 1 bestrafen die italienischen Behörden nun die Seenotrettungsorganisationen für die bloße Einhaltung von internationalem Recht. Wenn Italien an seinem Kurs festhält, stellt dies eine massive Bedrohung für zivile Seenotrettungsorganisationen dar. Denn nicht nur SOS Humanity, sondern alle Schiffe der Justice Fleet haben ihre Kommunikation eingestellt.“

Credits: Marcel Beloqui Evardone

